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Im September habe ich es getan. In meinem Urlaub an der Nordsee bin ich ins kalte Wasser gesprungen… Gegangen… In meinem Fall, wenn ich ganz ehrlich bin. Ich kann kaltes Wasser nicht ausstehen. Und ja: 17 Grad Wassertemperatur ist kalt. Brrrr…
Während in verschiedenen Artikeln zu einer gesunden Lebensweise der Ratschlag morgens kalt zu duschen zu lesen ist, bleibe ich doch lieber bei den Warmduschern. Dann wird mein Kreislauf eben nicht angeregt, bisher bin ich ja auch so klargekommen.
Was mich aber parallel dazu immer verfolgt hat, ist die
romantische Vorstellung am Meer zu leben und regelmäßig dort auch draußen zu
schwimmen. Herrlich – so zumindest mein Tagtraum. Die Realität ist, dass ich
schon eine gefühlte halbe Stunde benötige um mit den Beinen über die Knie
hinaus ins Wasser zu gehen, wenn es nicht Badewannentemperatur hat. Ich mag es
eben lieber komfortabel und warm.
Also habe ich die letzten Male am Meer meine Zeit damit
verbracht – innerlich sehnsüchtig seufzend – anderen Menschen dabei zuzusehen,
wie sie schnurstracks in die Fluten springen. Zu gefühlt jeder Jahreszeit. “Das
gibt es doch gar nicht.” dachte ich so jedes Mal bei mir “Wie geht das? Wie
bekommen die das hin?”
Und so setzt bei mir nach einer gewissen Zeit der Trotz ein.
Der Punkt an dem ich nicht mehr akzeptieren kann, dass ich einer Einschränkung
unterliege. Vor allem, wenn es eine Selbstgemachte ist. Was also tun? Und da
blieb nur eins: es ausprobieren.
Ich habe mir also kurzerhand meine Schwimmsachen geschnappt
und bin an die Wasserkante gegangen. Und eben auch hinein. Schritt für Schritt.
Und dabei habe ich ein paar wertvolle Erkenntnisse über mich und auch den
“Sprung ins kalte Wasser gewonnen”.
1)Da war also der erste Schritt hinein. Bis hier war alles noch in Ordnung. Die Füße stelle ich bei einem Strandspaziergang eigentlich immer ins Nass. Auch wenn es nur für einen kurzen Moment ist. Einfach weil ich es mag und es mir das schöne Gefühl gibt, im Wasser gewesen zu sein.
2)Also ging es weiter. (Bis zu den Knien geht es eigentlich immer.)
3)Ab dem nächsten Schritt wurde dann ich schon langsamer. Ab hier fing ich dann auch schon an die Wellen zu beobachten und wagte mich dann langsam Zentimeter für Zentimeter vor. Checkte die Lage. Blieb auch ein oder zwei Minuten stehen um mich dann umzuschauen. Wie weit waren die anderen? Vielleicht waren sie ja auch weiter als ich im Wasser, aber trotzdem nur bis zu den Oberschenkeln, weil wir vielleicht auf einer Sandbank waren?
4)Und natürlich waren um mich herum auch schon Menschen komplett eingetaucht. Einfach so. “Wenn das bei mir doch auch leicht ginge.” dachte ich bei mir “Haben die anderen mehr Übung als ich? Wie lange braucht man wohl bis man geübt darin ist, einfach hinein zu gehen?”
5)Da stand ich also. Und ich brauchte tatsächlich ein bisschen, um mich aus dem Vergleichen herauszuholen. Mir bewusst zu machen, dass ich meinen Fokus im Außen verloren habe. Und mir einzugestehen, dass mich diese Gedanken von dem, was ich eigentlich tun wollte, abgehalten haben.
6)Also - Augen geradeaus und weiter ging es. Der nächste Schritt leitete eine Serie von Überwindungen und kruden Gedanken ein. Aber hier war der Teil, in dem die Magie passierte.
7)Während ich also weiter ging, kam ich an den neuralgischen Punkt, an dem mein Bauch Berührung mit dem Wasser bekam. Ich persönlich bin ja eher so gepolt, dass mir Kälte an den Armen und Beinen nicht wirklich viel macht - der Rumpf ist schon eine andere Nummer. Aber da stand ich nun. Bis zum Bauchnabel im Wasser. Und ich musste echt über mich lachen. Geschafft – bis hierhin. Die Wellen wurden ein bisschen wilder und kamen mit weniger Abstand. Und in mir keimte der Gedanke auf, dass das Meer mich einlädt, hinein zu kommen. Auffordernd schlugen die Wellen immer höher, aber ich bekam nicht den letzten Schub, es einfach zu tun.
8)Die nächsten Gedanken kamen Schlag auf Schlag. Wie die Wellen, die mir entschlossen entgegen kamen.
“Wem will ich eigentlich was beweisen?”
“Mache ich das, weil ich nicht akzeptieren kann, dass ich dafür nicht geschaffen bin?”
“Mache ich das, weil ich gerne so wäre wie die anderen?”
“Soll ich nicht lieber zurückgehen?”
“Aber wie fühle ich mich dann?”
“Und was, wenn das meine einzige Chance in diesem Urlaub ist?”
“Eigentlich muss ich das ja nicht tun…. Ich muss ja nicht das machen was alle machen.”
Einatmen – Ausatmen – Einatmen – Ausatmen – Ein – Aus….
9)“Kann jetzt nicht einfach eine besonders hohe Welle kommen und mir das hier abnehmen?” BÄÄÄÄÄM – der Gedanke traf mich mit der Erkenntnis.
So leicht war es eben nicht und sollte es auch nicht sein. Während die Wellen einladend und fordernd zugleich blieben, stand ich da und erkannte, dass nur ich in der Lage war, die Dinge in Angriff zu nehmen, die ich erreichen möchte. Niemand konnte mir Entscheidung oder Verantwortung abnehmen. Selbst die Nordsee nicht. Auch wenn es bequemer wäre. Auch wenn ich mich dann vordergründig besser fühlen würde, weil es einfach der Faktor von außen war, der mir geholfen hat.
Aber diese Faktoren gibt es eigentlich nicht und der Glaube
daran ist auch einigermaßen vertrackt. Gerade wir Frauen berufen uns ja gerne
darauf, dass ein Erfolg den wir feiern könnten, nicht unser Werk ist. Streng
genommen haben wir ihn gefühlt auch meist nicht verdient, weil wir das ja
“...in Wirklichkeit nicht gemacht haben, sondern (bitte beliebige äußere
Umstände eintragen) dazu geführt hat, dass (was auch immer – bitte Beliebiges
eintragen) gut geklappt hat.”
Was im Umkehrschluss bedeutet, dass wir unser Licht unter
den Scheffel stellen. Dass wir uns manchmal fremdgesteuert und ausgeliefert
vorkommen. Und uns schlichtweg zu wenig selbst feiern und zu wenig auf die
eigene Schulter klopfen.
Auch kann es bedeuten, dass wir mit Entscheidungen sowohl
vorher als auch nachher hadern, weil wir nicht empfinden, dass sie aus uns
selbst getroffen werden können beziehungsweise wurden.
Dabei ist es wichtig eben genau das zu tun. Auch wenn es
vielleicht die falsche Entscheidung sein KÖNNTE (!!!!). Dann haben wir aber
zumindest das Wissen, dass wir das selbst gemacht haben. Und was wir selbst
gemacht haben, können wir auch selbst steuern – eben auch wenn es in die
Korrektur gehen muss.
Das verlangt ein gewisses Maß an Rückgrat, Mut und Willen, sowie einen gutmütigen Drang zur eigenen Größe und ein wenig Milde uns selbst gegenüber.
10)Und so begriff ich das Wasser als Metapher für vieles was für mich aktuell und wichtig ist. Entscheidungen, die zu treffen sind. Anzufangen, mein Leben auch gegen Widerstände zu gestalten, so wie ich es haben möchte. Nicht vom Weg abzukommen, weil ich denke. dass andere das ja auch schon tun und ich nicht mit dem Strom schwimmen will - Was auch nur eine Ausrede ist, um nicht ins Tun zu kommen. “Ich hätte ja so gerne, aber…”
11)Außerdem wurden mir in dem Moment eigene Muster klar, die mich dazu bringen, zu hadern, zu zögern und vielleicht sogar an den falschen Stellen aufzugeben. Der Vergleich mit anderen, Grübeln, Heraustreten wollen, es (oder auch mich) nicht mehr so wichtig finden. Es mir nicht zu gönnen, weil es ja schon viele andere gibt, die etwas tun, was ich gerne tun möchte. Die eventuell sogar (und relativ wahrscheinlich) weiter / besser / qualifizierter /… sind als ich …
12)Nachdem mir das klar geworden war, blieb also nur noch eins: Ich konnte und ich wollte nicht mehr zurück. Ich wollte die Verantwortung übernehmen und mir den Wunsch erfüllen, im September im Meer zu schwimmen.
Einatmen – Ausatmen – Einatmen – Ausatmen – Ein – Aus…
13)Und dann war ich drin. Pures Glück! Und dann der Moment, es selbst nicht glauben zu können. Der nächste Lachanfall! Ich schwamm im Wasser und glaubte mir selbst nicht, dass ich das wirklich getan hatte. Was eine Ironie!
Auch das ist etwas, was manchmal mit Überwindung einhergeht. Manchmal können wir nicht glauben, dass wir es tatsächlich getan haben. Vor allem wenn es gut geworden ist.
Mein Fazit aus diesem Sommererlebnis?
Ich kann mehr, als ich mir manchmal selbst eingestehe. Die schlimmsten Befürchtungen werden meistens nicht wahr. Sich trauen und zu springen lohnt sich – selbst wenn der Sprung nur ein Schritt ist. Und vor dem Hintergrund: Egal wie schnell oder langsam ich bin: stetig dran zu bleiben bringt mich trotzdem ans Ziel. Don’t rush the process!
Vor diesem Hintergrund wünsche ich Euch allen ein mutiges
und willensstarkes neues Jahr. Wir lesen und hören uns jetzt auch wieder mehr –
versprochen!
Love xx
Gudrun
Foto: von Gudrun Seyler (Rømø, September 2022)
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The leap into cold water...
...and what comes with it.
In September I did it. On my holiday at the North Sea, I jumped into cold water... Slowly walked... In my case, if I am completely honest.
I cannot stand cold water. And yes: 17 degrees water temperature is cold. Brrrr...
While various articles on a healthy lifestyle advise taking
cold showers in the morning, I prefer to stick to warm showers. Then my
circulation is maybe not so stimulated, but so far I've managed my life that
way.
But what has always haunted me in parallel is the romantic
idea of living by the sea and regularly swimming out there. Wonderful - at
least that's my daydream. The reality is, that it takes me what feels like half
an hour to get my legs above my knees into the water if it's not bathtub
temperature. I just prefer it to be comfortable and warm.
So the last few times I've been at the seaside I've spent my
time - inwardly sighing longingly - watching other people jump straight into
the water. At what felt like every time of year. "Gosh!" I thought to
myself each time, "How does that happen? How do they do it?"
And so, after a while, defiance sets in for me. The point at
which I can no longer accept that I am subject to a restriction. Especially
when it's one of my own making. So what to do? And there was only one thing
left to do: GO FOR IT!
So without further ado, I grabbed my swimming gear and went
to the water's edge. And into it. Step by step. And in the process I gained a
few valuable insights about myself and also about "jumping into cold
water".
1) So there was the first step in. Up to this point, everything was still fine. I always put my feet in the water when I go for a walk on the beach. Even if it's only for a short moment. Simply because I like it and it gives me the nice feeling of having been in the water.
2) So I went on. (Up to the knees, actually, I’m always fine.)
3) From the next step I started to slow down. From here on I started to watch the waves and slowly moved forward centimetre by centimetre. Checked the situation. I stopped for a minute or two and then looked around. How far were the others? Maybe they were further in the water than I was, but still only up to their thighs, because maybe we were on a sandbank?
4) And of course there were people completely submerged around me. Just like that. "If only it was that easy for me," I thought to myself, "Do the others have more practice than I do? I wonder how long it takes to become proficient at just going in?"
5) So there I was. And it actually took me a bit to get myself out of comparing. To realize that I had lost my focus on the outside. And to admit to myself that these thoughts had kept me from what I actually wanted to do.
6) Ok – eyes straight ahead and on I went. The next step initiated a series of overcoming and crude thoughts. But that was the part where the magic happened.
7) So as I walked along, I came to the neuralgic point where my belly made contact with the water. Personally, I normally do not mind the cold on my arms and legs – my torso is a completely different story. But there I was. Up to my belly button in water. And I had to laugh about myself. I made it – up to here. The waves got a bit wilder and came with less distance. And the thought sprouted in me that the sea was inviting me to come in. Invitingly, the waves beat higher and higher, but I couldn't get the final push to just do it.
8) The next thoughts came one after the other. Like the waves, they came towards me with determination.
"Who am I trying to prove something to?"
"Am I doing this because I can't accept that I'm not cut out for this?"
"Am I doing this because I would like to be like the others?"
"Would I prefer to go back?"
"But how does that make me feel?"
"And what if this is my only chance on this holiday?"
"Actually, I don't have to do that.... It's not like I have to do what everyone else is doing."
Inhale – Exhale – Inhale – Exhale – In – Out....
9) "Can't a particularly high wave just come and take this off me now?" BÄÄÄM - the thought hit me with a big realization.
It just wasn't that easy, nor should it be. While the waves remained inviting and demanding at the same time, I stood there and realized that only I was capable of tackling the things I wanted to achieve. No one could or should ever take decisions or responsibilities away from me. Not even the North Sea. Even if it would be more comfortable. Even if it would make me feel better and more comfortable on the surface, because it was simply the outside factor that helped me.
But these factors don't really exist and the belief in them
is also somewhat tricky. We women in particular like to claim that a success we
could celebrate is not our doing. Directly speaking, we usually don't feel that
we deserve to celebrate, because "...in reality we didn't do it, but
(please insert any external circumstances) led to (whatever - please insert
any) is working out well."
Which, by implication, means that we hide our light under a
bushel. That we sometimes feel controlled and at the mercy of others. And we
simply celebrate ourselves too little and pat ourselves on our own back too
little.
It can also mean that we struggle with decisions, both
before and after, because we do not feel that our decisions can be at all or
were made from within ourselves.
Yet it is important to do just that. Even if it COULD be the
wrong decision (!!!!). But then we at least have the knowledge that we have
made it ourselves. And what we have done ourselves, we can also control
ourselves - even if it has to be corrected.
This requires a certain amount of a strong back, courage and will, as well as a good-natured urge towards our own greatness and at the same time a little mildness towards ourselves.
10) And so I understood the water as a metaphor for much that is current and important for me. Decisions that have to be made. To begin to shape my life the way I want it to be, even in the face of opposition. Not to stray from the path because I think that others are already doing it and I don't want to go with the flow - which is also just an excuse not to get into action. "I would have loved to, but..."
11) Also, at that moment I realised my own patterns that cause me to struggle, procrastinate and maybe even give up in the wrong places. Comparing myself to others, brooding, wanting to step out, not finding it (or myself) as important anymore. Not to indulge myself because there are already many others who are doing something I would like to do. Who might even (and relatively probably) be further / better / more qualified than I am ...
12) After I had realised this, there was only one thing left to do: I could not and I did not want to go back. I wanted to take responsibility and fulfil my wish to swim in the sea in September.
Inhale – exhale – inhale – exhale – in – out....
13) And then I was in. Pure happiness! And then the moment of not being able to believe it myself. I laughed out loud! I was swimming in the water and didn't believe myself that I had really done it. What an irony.
This is also something that sometimes comes with overcoming. Sometimes we can't believe we actually did it. Especially when it turned out well.
My conclusion from this summer experience?
I can do more than I sometimes give myself credit for. The worst fears usually don't come true. To dare and jump is worth it - even if the jump is only one step. And with that in mind: no matter how fast or slow I am, keeping at it will still get me there. Don't rush the process!
With this in mind, I wish you all a brave and strong-willed
new year. You willl be reading and hearing more regular from me - I promise!
Love xx
Gudrun
Photo: by Gudrun Seyler (Rømø, September 2022)